Tafel 23: Von der Repression zur Toleranz
In dem für den Sohn und Nachfolger geschriebenen Testament vom 4. Juni 1660 gab
Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt zur künftigen Behandlung der Juden folgende Empfehlungen:
Zu Pflantzung rechtschaffener Gottseeligkeit im Land würd auch eifordert, daß unser Sohn und Successor
vor den Juden sich vorsehe, dann sie seind ein müssig und unnutzbar Volck, so sich nicht mit seiner
Handarbeit nach göttlicher Ordnung nehrt, sondern in otio ligt, sich mit dem Wuchsersack schleppet und,
wo etwas zu erschachern ist, aufwartet; saugen die Christen aus, lästern, schänden und schmähen den Sohn
Gottes [...]. Wer allein um verderblichen Geniesses willen die Juden häget und schützet, dem ist ein
Seckel voll Judischen Gelds lieber dann die Ehre Gottes; wenn man auch die Juden in einem Land zu tief
einnisten läst, so ist sich ihrer hernach schwerlich wieder loß zu machen. Demnach haben wir unß entschlossen,
die Juden anfänglich mit behuthsamer Hand auß den Stätten zu bringen, allermaßen auch zum Theil beschehen ...
Außerdem habe er, damit so viel möglich bekehrt werden, Pflichtversammlungen mit christlichen
Missionspredigten eingeführt.
Der hier ungewöhnlich drastisch formulierten, religiös begründeten Judenfeindschaft des Landgrafen entsprang
auch die restriktive "Judenordnung", die er während des 30jährigen Krieges am 20. Febr. 1629 erlassen hatte.
Die Forderung, die Juden wegen der Konkurrenz für die städtischen Gewerbe und übergroßen Wuchers gegen
Arme Christen auf die Dörfer zu verweisen, war eines der "Gravamina" der von Darmstadt geführten
südhessischen Städte auf dem ersten Steuer-Landtag nach dem Regierungsantritt des neuen
Landgrafen Ludwig VI.im Herbst 1661.
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