Tafel 28: "Erbgesundheit" und "Euthanasie"
"Der Staat soll seine Mittel nicht fortgesetzt in vermehrtem Maße für Arbeitshäuser,
Besserungs- und Irrenanstalten verwenden", begann das Plädoyer, mit dem der Mediziner
Dr. Oberholzer auf einem Fachkongress in Gießen 1912 für die Zwangs-sterilisierung "aus sozialen
und rassenhygienischen Gründen" eintrat. Im Jahr zuvor waren u.a. in Gießen und in Herborn
neue Landes-"Heil- und Pflegeanstalten" für Geisteskranke eröffnet worden, die neueingeführte
Bezeichnung für die bisherigen Irrenanstalten.
Vorlesungen über "Vererbung und Rassenhygiene"
gehörten auch in den 1920er Jahren zum Lehrprogramm der Gießener Medizin-Fakultät; als
"rassenhygienische Maßnahme" wurde die Internierung von "hoffnungslos minderwertigen
und unsozialen Individuen" empfohlen. Das von der NS-Regierung im Sommer 1933 erlassene
"Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" konnte sich auf bereits vorliegende Vorarbeiten
des Preußischen Landesgesundheitsrats stützen. Auf die angeordnete "Unfruchtbarmachung" bei
"Erbschäden" folgte 1941 die "Euthanasie", die systematische Ausrottung
"lebensunwerten Lebens".
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